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Die Jägerin

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Beitrag von SandyLee Di Jan 26, 2021 1:42 pm

Sonntag 6. März 2011, 00:21
von Afra
Afra nimmt die Spur auf

Die Anführerin der Späher war die Letzte die Afras Lager verlies. Afra schaute Sandy gedankenverloren hinterher und wartete geduldig bis die Späherin zwischen den Bäumen verschwunden war. Dann erst holte sie tief Luft. Unendlich langsam sog sie die Luft in ihre Lungen und blähte ihren Oberkörper soweit als möglich auf. Erst als ihr fast schwindelig wurde lies sie die Luft mit einem lauten Schrei wieder aus ihren Lungen. Für einen kurzen Augenblick war ihr ganz schummrig. Afra schüttelte sich und nahm noch einen kräftigen Schluck aus dem Beutel den Sandy ihr überlassen hatte und schloss die Augen. In ihrem Kopf überschlugen sich die Gedanken. Alles was sie gerade gehört hatte wiederholte sie für sich in Gedanken. Sie war es gewohnt auf jede Kleinigkeit zu achten und alles zu überdenken bevor sie handelte. Das hatte ihr schon unzählige Male das Leben gerettet.
Vor wenigen Augenblicken war ihr Lager noch voller Menschen gewesen und eine Aufregung hatte die andere gejagt. In diesem Trubel hatte sie scheinbar unbeteiligt mitbekommen dass Janina das Kind verschwunden sei. Sie hatte sich ihre Aufregung nicht anmerken lassen und hatte sich weiter um die beiden Kinder gekümmert. Jetzt aber fing sie an zu zittern bei dem Gedanken, dass dieser Kleinen etwas zugestoßen sein könnte. Satz für Satz wiederholte sie in Gedanken und sortierte heraus was brauchbare Information sein könnte. Afra nahm noch einen kräftigen Schluck aus dem Beutel und machte sich auf den Weg. Ihr Ziel waren die Ruinen im Norden.

Afra fing an zu laufen. Immer wenn sie weite Strecken zu bewältigen hatte verfiel sie in einen Dauerlauf mit weit ausholenden Schritten. Schon als Kind hatte sie sich darin geübt große Strecken sehr schnell zu überwinden. Dabei hatte sie sich eine Technik angeeignet die es ihr ermöglichte tagelang dieses hohe Tempo zu halten und so beinahe jeden Verfolger abzuschütteln. Vier Schritte einatmen, vier Schritte ausatmen. Diese Art zu laufen war ihr mit der Zeit in Fleisch und Blut übergegangenen auf diese Weise musste sie weniger Pausen einlegen als die Pferde ihrer Verfolger.
Während sie die große Ebene hinter dem Sanctum überquerte dachte sie an Janina und daran wie sie die Kleine völlig verängstigt in einem Wald in der Nähe ihres Lagers gefunden hatte. Schnell hatte die Kleine ihr Herz gewonnen und Afra wurde feucht in den Augen als sie sich noch einmal die Szene bei der Wolfshöhle in Erinnerung rief. Dieses kleine Mädchen hatte Afra damals wieder zurückgeholt als sie vor den Amazonen in die Einsamkeit geflohen war. Und jetzt soll dieser Kleinen Göre etwas zugestoßen sein. Afra konnte es sich einfach nicht vorstellen und glaubte fest daran dass das Verschwinden einen sehr realen Grund hatte.
Als nach fast zwei Stunden die Umrisse der Ruinen schemenhaft vor ihr auftauchten hielt Afra an und verharrte wie zu Stein erstarrt. Langsam unendlich langsam suchte sie die Umgebung ab. Ihre Augen wanderten langsam, Abschnitt für Abschnitt über die Hügel und Sträucher. Jeden Augenblick bereit sofort zu reagieren sollte da irgend etwas sehr auffällig oder ungewöhnlich sein. Nichts. Afra konnte nichts ungewöhnliches entdecken. Afra war alleine und ging langsam auf die Ruine zu. Sie suchte nach einer Stelle die irgendwie verbrannt aussehen sollte. Die Krieger und Späher hatten von einer seltsamen Stelle mit Brandzeichen gesprochen und Celina hatte berichtet, dass genau da dann Janina und Thukal verschwunden sein sollen.
Afra hatte die Stelle bald entdeckt. Glücklicher Weise war der Himmel klar und der Mond leuchtete wie eine Fackel genau die Umgebung aus. Mehrere Stellen machte Afra aus wo die Erde seltsam verbrannt war. Es ergab kein einheitliches Bild und war sehr ungewöhnlich. So brannte kein Feuer, jedenfalls kein normales. Afra war einen Augenblick versucht an die Geschichte mit den Geistern und an Magie zu glauben. Ein normales Feuer hätte eine einzige große Brandmarke hinterlassen. Hier aber waren in kurzen Abständen mindestens drei Stellen wo die Erde verbrannt war. Die Feuer mussten auch nicht lange genug gebrannt haben sonst hätten sie sich zu einem einzigen Feuer vereinigt. Es müssen Feuer gewesen sein die nur sehr kurz aber sehr heftig gebrannt haben. Das waren mit Sicherheit keine Feuer um jemanden zu verletzen oder gar zu töten. Nach den Erzählungen von Celina war Janina nach einem Feuerblitz plötzlich verschwunden. Auch wenn sich Afra über das Feuer noch nicht sicher war, sie war aber überzeugt davon dass die Feuer einen sehr realen Grund hatten. Sie dienten einzig und allein dazu eine Flucht abzusichern, um abzulenken. Je länger Afra sich diese Möglichkeit überlegte desto überzeugter war sie davon. Sie legt sich auf den Boden und betrachtete sich die Feuerstellen ganz aus der Nähe.
So nah vor Augen stellte Afra fest, dass die Ränder der Brandstellen gar nicht so scharf waren wie sie von oben ausgesehen hatten. Die Ränder waren leicht ausgefranst und Gras und Erde waren auch nicht vollständig verbrannt. In der Mitte, im Zentrum aber war nichts mehr von der Vegetation übrig geblieben. Dort fühlte Afra nur noch Ruß und alles zerfiel in schwarzen Staub wenn man mit der Hand darüber strich. Hier also war es punktuell sehr heiß gewesen. Alles deutete darauf hin, dass hier eine Verpuffung stattgefunden haben könnte. Die Schilderung, dass Janina nach einem Feuerblitz verschwunden war könnte ebenfalls dazu passen. Ein grelles helles Feuer das schnell genug verpuffte um nicht alles in Brand zu setzen. Das war es.
Afra stand auf und untersuchte die beiden anderen Brandstellen daraufhin. Sie waren ähnlich. Was war hier passiert. Janina was haben sie hier mit dir gemacht? Afra setzte sich ins Gras und dachte nach. Sie nestelte Sandy`s Beutel von ihrem Gürtel und nahm noch einmal einen kräftigen Schluck. Während sie sich genüsslich über den Mund wische überschlugen sich ihre Gedanken. Sie kramte in ihren Erinnerungen. Wo hatte sie schon einmal ähnliches gesehen? Plötzlich schlug sie sich mit der Hand an die Stirn.
"Baba Yaga, heiliger Schamanenfurz," sagte sie laut zu sich selbst und begann mit sich selbst zu reden.
"die Herodes, die Kinderanbeter," zischte sie und spukte angewidert auf den Boden.
Als Halbwüchsige war sie selbst in die Hände der Herodes gefallen. Als sie noch unerfahren den Pass überwunden hatte und in dem fremden Land nach Wild Ausschau hielt wurde sie von einem Reitertrupp gefangen genommen und in weit entferntes Dorf verschleppt. Dort wurde sie gezwungen ein Gift zu essen was sie sehr schläfrig machte aber niemals richtig einschlafen lies. Man schmückte sie und hielt sie in einer Art Kulthütte gefangen. Sie war damals nicht alleine. Mit ihr waren noch 3 andere Kinder gefangen. In den ersten drei Monden nach der Jahreswende wurde jeweils ein Kind zum Ende des Mondes geopfert und die Dorfältesten verspeisten die noch zuckende warme junge Leber. Afra und noch eines der Kinder hatten damals Glück gehabt. Mitten in die Zeremonie der das zweite Kind zum Opfer fallen sollte wurde das Dorf von einer fremden Kriegerhorde überfallen und die Kinder geraubt. Afra konnte sich sehr lange nicht mehr daran erinnern wo ihr zuhause war. Erst nach und nach kam ihre Erinnerung wieder und sie verließ das fremde Volk welches sie gerettet hatte.
Die Herodes hatten damals ihre Gefangenen und ihre Feinde damit schockiert in dem sie Feuerbälle warfen. Feinster Holzstaub und verkohltes Holz wurden zu ganz feinem Staub zermahlen. Dieses Gemisch stopfte man dann in ein Blasrohr und schleuderte den gepressten Staub in eine Flamme. Mit einer unheimlichen Wucht und unter lautem Knall schoss eine Feuersäule in die Luft. Grell, hell und heiß verbrannte das Feuer alles was in unmittelbarer Nähe war. So schnell wie es gekommen war, so schnell war das Feuer auch wieder verschwunden. Angstvoll wurden die Herodes von ihren Gefangenen als Geister des Feuers respektiert. Afra erinnerte sich, dass immer zwei oder drei der Herodes dieses Spiel trieben. Einer blies mit dem Rohr ein brennendes Holz in die Mitte des Platzes und die anderen schleuderten den Staub in die kleine Flamme. Jetzt war ihr klar was sich hier abgespielt hatte und sie konnte sich auch die Geschichte von Celina erklären. Ihr musste es vorgekommen sein als sei hier eine andere, viel höhere Macht am Werke.
Afra stand auf und warf einen besorgten Blick zum Mond hinauf. Es war Vollmond. Bis zum nächsten Mond war also noch etwas Zeit. Janina hatte noch eine Galgenfrist.
Jetzt wo sich Afra sicher war was hier passiert war begann sie die Umgebung gezielter abzusuchen. In den Ruinen fand sie unterhalb des Fenstersims ein kurzes Blasrohr. Sie hob es auf und betrachtete es. Damit wurde bestimmt nur das Brandholz geschleudert. Der Besitzer hatte es sicher eilig. Wahrscheinlich war er es der sich Janina schnappte während seine Begleiter die Feuerbälle schleuderten. Er brauchte Bewegungsfreiheit und sicher beide Hände und hatte keine Zeit das Rohr zu verstauen. So schrecklich diese Erkenntnisse waren, Afra wurde immer ruhiger. Jetzt wusste sie, dass sie es mit einem richtigen Gegner zu tun hatte. Afra umrundete die Ruine und zog ihre Kreise immer weiter. Sie konzentrierte sich dabei mehr in Richtung der Berge. Nur das konnte die Fluchtrichtung sein. Über die Ebene zu fliehen mit einem gefangenen Kind war zu riskant. Und wenn es wirklich die Herodes waren, dann beeilten sie sich in die Berge und zum Pass zu kommen. Etwa die Zeit einer Stunde von der Ruine entfernt in Richtung der Berge fand Afra dann was sie suchte. Hier in einer Lichtung fand sie zertrampeltes Gras und abgefressene Zweige. Afra kniete sich in das Gras. Keine Hufspuren nur Druckstellen. Afra konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen.
"Sehr clever," murmelte sie, "aber nicht schlau genug!"
Ein alter Trick den Afra schon sehr oft bei sich selbst angewandt hatte. Um keine Spuren zu hinterlassen und um sich lautlos zu bewegen hatte sich Afra sehr oft die Füsse mit Fellen umwickelt. Ein ungeübter Jäger konnte diese Spuren kaum deuten. So hatte man es hier auch mit den Pferden gemacht. Die Hufe waren umwickelt um hier keine Spuren zu hinterlassen und auch das Geräusch von einem zufälligen Scharren auf einem Stein zu vermeiden. Wahrscheinlich war man mit den umwickelten Hufen los geritten um lautlos zu entkommen. Die Felle würde man erst im Gebirge abnehmen. Afra zählte die Spuren von vier Menschen. Es war also auch davon auszugehen, dass hier vier Pferde waren. Afra hatte genug gesehen und wusste was zu tun war. Im Laufschritt eilte sie zurück in ihr Lager und packte einige Vorräte zusammen. An Schlaf war jetzt nicht zu denken.
Janina halte durch Schoß es ihr durch den Kopf und dann lief sie los um das Gebirge noch vor Morgengrauen zu erreichen
...
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Beitrag von SandyLee Di Jan 26, 2021 1:43 pm

Montag 7. März 2011, 15:21
von Afra
Erste Spuren

Der Morgen graute schon als Afra die ersten Geröllhalden am Fuße der Berge erreichte. Die große Frau hielt kurz an um ihre Füße mit Felllappen zu umwickeln. Der Aufstieg war nicht einfach. Die schmalen Pfade waren übersät mit scharfkantigem Gestein und je weiter man vordrang desto kälter wurde es. Einen Augenblick lang ärgerte sich Afra dass sie nicht besser vorbereitet war. Wenn sie hier auf die Jagd ging dann hatte sie genügend Felle dabei um sich selbst zu schützen. Die Sorge um Janina aber hatten sie eiligst aufbrechen lassen. Sie wollte auch nicht unnötig Ballast mit sich herum schleppen um möglichst schnell vorwärts zu kommen. Afra bündelte ihre bis zu den Waden reichenden Haare zu zwei mächtigen Zöpfe und band sie sich um die Hüften. Das gab zusätzliche Wärme und die Gefahr, dass sich die Haare beim Laufen im Gestein verfingen war somit gebannt. Afra atmete tief durch. Mit einem letzten Blick zurück auf das Land das sie so lieb gewonnen hatte begann sie den Aufstieg. Einatmen, ausatmen. Immer im gleichen Rhythmus im Takt der vier Schritte. Von Minute zu Minute erhöhte sie das Tempo. Sie kannte diesen Pfad und schaute nur ab und zu kurz auf um die Umgebung zu prüfen. So lange sie denken konnte war sie diesen Weg hochgelaufen. Sie kannte jeden Baum und jede Silhouette der Berge und nur kurze prüfende Blicke genügten um sofort zu bemerken wenn irgendetwas sich verändert haben sollte. Afra spürte nicht den kalten schneidenden Wind der um ihre Ohren pfiff. Die eisige Kälte prallte von ihrem Körper ab und sie dampfte wie ein Pferd. Weiter oben würde sie dann Schnee essen um nicht auszutrocknen.
Gerade als sie eine Stelle erreicht hatte wo der Weg für eine Weile beinahe eben gerade aus verlief um in einer Biegung in der nächsten Schlucht zu münden bemerkte Afra eine Gestalt in kurzer Entfernung vor sich. Afra verlangsamte ihren Lauf und blieb dann abrupt stehen.
"Du, du … du .. du hier," stotterte sie und atmete heftig ein und aus.
"Heiliger Schamanenfurz … Ka, … Kamaria, was, was tust du hier."
Afra stützte sich mit beiden Händen auf ihre Knie und versuchte ihren Atem zu kontrollieren. So abrupt war sie in ihrem Lauf gebremst worden. Die Hitze ihres Körpers und die Kälte des Gebirges liesen dampfende Nebel um Afra herum tanzen.
"Ist das nicht eine etwas unwirtliche Gegend für dich hier," fragte Afra etwas verwundert.
"Na so viel ich weiß warst du erst vor kurzem hier auf der Jagd," entgegnete Kamaria ruhig, "und so freiwillig scheinst du auch nicht hier zu sein."
Die letzten Worte hatte Kamaria mit lauerndem Unterton gesprochen und Afra war dies nicht entgangen. Afra war diese plötzliche Begegnung nicht geheuer und mit zusammen gekniffenen Augen beobachtete sie Kamaria.
"Wenn du weißt warum ich hier bin, dann brauche es dir ja nicht sagen," entgegnete Afra trotzig.
Die alte Frau blieb ruhig auf ihrem Stock gestützt. "Immer noch das kleine Kind, wann wirst du erwachsen Afra?"
Afra zuckte mit den Schultern, sie hatte ihre Fassung wieder gewonnen und war wieder die lauernde Jägerin die sich durch nichts von ihrem Ziel abbringen lassen würde.
"Wie meinst du das?"
"Was ist so falsch daran wenn ich versuche ein kleines Mädchen zu retten und sie nach hause holen?"
"Nun ja," begann Kamaria und ging auf Afra zu, "was hast du mit dem Mädchen zu tun?"
Kamaria setzte sich einen kleinen Felsvorsprung und lud Afra ein neben ihr Platz zu nehmen. Erst als Afra sich gesetzt hatte sprach Kamaria weiter:
"Du weißt, dass du sehr weit in Feindesland musst um das Mädchen zu finden. Mindestens drei Stämme werden dich jagen. Du hast diesen Völkern ganz schon in die Töpfe gespuckt und sie würden diese Gelegenheit gerne nutzen deine Haut an ihre Hütten zu nageln. Es wird dein Tod sein."
Als Afra nicht antwortete fuhr Kamaria fort:
"Warum machst du es zu deiner Angelegenheit? Es ist doch nur ein Kind und es verschwinden immer wieder Kinder auf der ganzen Welt. Es ist doch nicht dein Kind. Lass andere suchen, warum willst du in den Tod?"
Afra antwortete immer noch nicht und starrte nur in die Ferne. Ihre Blick war auf eine Felsspitze gerichtet während sich in ihrem Kopf die Gedanken überschlugen.
"Afra wach auf," Kamaria stieß ihren Ellbogen in Afra`s Seite, "wach auf, das ist kein Spaß mehr, du jagst hier keine Bären. Sie werden dich jagen und zur Strecke bringen." Kamaria deutete auf die Skalps an Afra`s Gürtel, "willst du als Schrumpfkopf enden?"
"Glaubst du, du seist den Amazonen das schuldig?" Kamaria stieß ein lautes Lachen aus, "zugegeben, sie lieben dich, sie trinken mit dir und immer öfter suchen sie deinen Rat. Haben sie dich jemals zu ihren Festen eingeladen? Hat jemals eine von ihnen sich in Not für dich begeben? Hat man dich jemals im Sanctum empfangen? Schau dich an."
Als Afra weiter schwieg wurde Kamaria energischer und herrschte Afra an:
"Schau dich an, du bist nicht wie sie. Sie fürchten dich, du bist größer und kräftiger, du bist ihnen unheimlich. Du musst aufpassen, dass du beim Laufen nicht auf deine Haare trittst, du bist voller Dreck. Glaubst du wirklich sie könnten ungezwungen mit jemanden umgehen der ein Tier mit der Hand erschlagen kann und selbst nicht einmal weiß wie alt sie ist? Willst du dir ihre Liebe erkaufen indem du ihnen ein Kind zurückbringst? Der Preis ist hoch, du wirst es nicht schaffen und dein Leben lassen. Ist es das wert?"
Ohne Kamaria anzusehen, den Blick immer noch in die Ferne gerichtet antwortete Afra plötzlich:
"Siehst du, das ist der Punkt. Afra handelt weil es Afra ist und nicht um sich etwas zu erkaufen. Ja sie lieben mich, ich spüre es und es kommt dabei nicht darauf an, wie und wo ich überall teilnehme an ihrem Leben. Wichtig ist doch nur, dass wir uns gegenseitig geben und nehmen."
"Und du gibst dein Leben," warf Kamaria spöttisch ein.
"Das ist noch nicht heraus," konterte Afra trocken und noch etwas hast du nicht auf deiner Rechnung Ehrwürdige.
"Das Mädchen geht mich sehr wohl etwas an. Dieses Kind hat mein Wort. Als ich sie damals im Wald entdeckt habe, da habe ich diesem kleinen Mädchen mein Wort gegeben dass ich sie beschütze. Die ganze Zeit war das nicht nötig, Janina ist wohl behütet bei den Amazonen aufgewachsen. Aber jetzt braucht sie mich. Afra hat noch nie ihr Wort gebrochen."
Erwartungsvoll schaute Afra jetzt Kamaria an: "wie oft habe ich dich gebeten mir einen Weg in den Tod zu zeigen? Ja ich war müde und habe keinen Sinn mehr gesehen. Du hast mir das Volk das sich in meinem Land ausgebreitet hat immer als Aufgabe vor Augen gehalten. Jetzt plötzlich soll es ein Risiko nicht mehr wert sein? Ich habe mich entschlossen und du wirst mich dieses Mal nicht umstimmen. Ich hole Janina nach Hause. Mit den Tschurok habe ich noch eine Rechnung offen. Durch deren Land muss ich. Die Thepal und die Mulschocken kann ich umgehen. Das sind Feiglinge die nur jagen können wenn ihr Wild schon verwundet ist. Die Herodes werden wieder knifflig, denn da muss ich sehr weit in deren Lager wenn ich Janina finden will. Du siehst ganz so aussichtslos ist es nicht."
Afra lachte gehässig und schaute Kamaria wieder trotzig an. Kamaria legte Afra eine Hand auf die Schulter.
"Das wollte ich von dir hören mein Kind, deine Aufgabe wird nicht einfach sein und ich wollte sicher sein dass du ohne Zweifel bist. Jetzt weiß ich es. Bring Janina heim zu deinen Freunden."
Afra schüttelte den Kopf: "du hast mich nur geprüft?"
"Ja"
Nach einem Augenblick des Schweigens ergriff Afra die Hand der alten Frau: "Gib mir deinen Segen, den kann ich gut gebrauchen."
"Du hast meinen Segen und pass auf dich auf. Die Thepal und die Mulschocken mögen feige sein aber zu viele Feinde um dich herum macht mir Sorge."
"Was kannst du mir über das Kind Maryan sagen?" fragte Afra plötzlich.
"Maryan? Was ist mit ihr?"
"Noch nichts, aber sie wird langsam eine kleine Kriegerin und stellt Fragen."
"Maryan gehört zu dem Volk der Fedah. Sie wurde von einer Frau damals entführt und sollte an die Herodes verkauft werden. Ausgerechnet am Strand von Tharareb jetzt Amazonen sind sie gestrandet. Maryan hat mentale Fähigkeiten die sie aber verlieren wird."
"Hmmm," brummte Afra, "und wenn ich sie zu ihrem Volk zurückbringe, wo leben die Fedah?"
"Lebten ! Afra das Volk gibt es nicht mehr. Nur noch vereinzelt auf der ganzen Welt verstreut wird man Angehörige dieses alten Volkes finden."
Afra stand auf und band wieder ihre Haare um die Hüften. Sie verbeugte sich ehrfürchtig vor der alten Frau und begann wieder den Aufstieg.
Nach einigen Schritten drehte sie sich noch einmal um: "Kamaria? Habe ich noch Verwandte? Gibt es noch Tharareb die leben?
"Wie kommst du darauf? Du bist die Letzte deines Volkes."
"Ich hörte, dass in einem fernen Land Menschen leben sollen die von den Tharareb abstammen"
"Die Tharareb waren einmal ein sehr geachtetes Volk und es war schick sich als Abkömmlinge dieses Volkes auszugeben. Tut mir leid aber für Thararebs zu sorgen ist alleine deine Aufgabe, das kann dir wirklich niemand abnehmen." Kamaria lachte wie Afra sie noch nie hatte lachen hören und drehte sich um und verschwand hinter den Felsen. Eine Weile blieb Afra verdutzt stehen. Wie soll ich für Thararebs sorgen?

Einatmen, ausatmen im Rhythmus von vier Schritten. Afra hatte wieder das Tempo gewonnen und lief unermüdlich durch Geröll und Eis. Die Sonne hatte schon längst ihren Zenit überschritten als Afra am höchsten Punkt anhielt um etwas zu Atem zu kommen. Sie nahm Schnee und stopfte sich den Mund voll. So viel Schnee wie möglich stopfte sie in sich hinein. Afra gönnte sich keine lange Pause. Sie wollte den Abstieg geschafft haben bevor der Tag vorbei war. Erst unten in der Ebene wollte sie sich etwas Schlaf gönnen. Sie suchte die Umgebung ab und nach einer Weile fand sie was sie suchte. Zwei kräftige Hölzer sollten ihr als Stütze für den Abstieg dienen. Sie prüfte das Holz auf Stabilität und begann wieder zu laufen. Nur zweimal musste sie ihren Abstieg unterbrechen. Fremde Jäger kamen ihr entgegen und Afra suchte jedes mal ein Versteck auf und wartete bis die Fremden wieder außer Sichtweite waren.
Erst als die Sonne untergegangen war erreichte sie das Tal. Das Land unter ihren Füßen wurde feuchter und matschiger. Der Mond hing in seiner vollen Größe über der Ebene und beleuchtete das Land gespenstig. Bis zu den Bäumen noch dachte Afra und setze ihren Lauf fort. Nach eine Weile stutzte sie und hielt an.
Deutlich zeichneten sich vor ihr Pferdespuren ab. Vier Pferde und daneben waren Spuren von Menschen. Die Pferde waren also müde und mussten ohne Reiter geführt werden. Hektisch flogen Afra`s Augen über die vielen Spuren. Dann entdeckte sie die Spuren eines leichten Menschen, die Füße nicht so groß wie die anderen. Afra versuchte die Spuren zu deuten. Vier unterschiedliche große Menschen und ein Kind waren hier gelaufen. Die Ränder der Hufspuren waren leicht angetrocknet. Nicht älter als einen Tag stellte Afra fest und war überzeugt davon die Spur Janinas gefunden zu haben. Afra folgte den Spuren bis zu einem Waldrand um sicher zu sein in welche Richtung diese Gruppe unterwegs war. Sie markierte sich eine markante Stelle um später die Spur wieder aufnehmen zu können. Jetzt wollte sie sich erst einmal einen Schlafplatz suchen. Afra suchte sich einen geeigneten Baum aus und kletterte nach oben. In den Ästen suchte sie nach einem dicken breiten Ast um sich dort abzulegen. Sie versuchte es sich so bequem wie nur möglich zu machen. Einen ihre Füße drehte sie so in einen Ast vor sich um zusätzlichen sicheren Halt zu bekommen und während des Schlafes nicht abzustürzen. Sie war in Feindesland. Hier könnten zufällig die Jäger der Tschurok auftauchen und hoch oben im Baum konnte sich Afra einigermaßen sicher fühlen. Nachdem sie mit ihren Haaren ein dickes Knäuel gebildet und unter ihren Kopf gedrückt hatte schlief sie ein. Der erste Schlaf nach 2 Tagen überkam sie so plötzlich dass sie nicht einmal an ihren Hunger gedacht hatte.
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Beitrag von SandyLee Di Jan 26, 2021 1:43 pm

Dienstag 8. März 2011, 21:33
von Afra
Im Lager der Tschurok


Afra schreckte hoch und es hätte nicht viel gefehlt und sie wäre abgestürzt. Ein schreckliches Geschrei ganz nah an ihrem Ohr hatte sie jäh aus ihrem Schlaf gerissen. Während sie versuchte an Zweigen und Ästen Halt zu finden legte sich der Nebel vor ihren Augen und sie konnte klar denken. Keine zwei Meter von ihrem Kopf entfernt saß ein großer fetter Rabe und schrie sie an. Verwundert blickte Afra um sich und sah, dass sie sich fast in ein Nest gelegt hätte. Kein Wunder also, der Rabe verteidigte sein Heim und fing an mit seinem Schnabel auf Afra`s Bein einzuhacken.
"Ich geh ja schon," brummelte Afra und rutschte langsam vom Baum. Wieder auf dem Boden angekommen knickte sie weg, ihr Fuß mit dem sie sich im Geäst festgehalten hatte war fast tot und Afra hatte Mühe stehen zu bleiben. Instinktiv drückte sie sich in den Schatten der Bäume und massierte ihre Gelenke. Der Rabe krächzte immer noch weiter und Afra schickte ihm einen bösen Blick nach oben.
"Halt endlich den Schnabel oder ich fresse dich, du weckst das ganze Land auf," bäffte Afra nach oben in die Äste. Unsicher äugte sie durch das Unterholz ob nicht etwa schon Jäger durch das Geschrei des Raben angelockt worden waren. Aber alles war ruhig. Es war noch die Zeit vor Tagesanbruch. Lange konnte Afra also nicht geschlafen haben. Es dauerte ungewöhnlich lange bis die große Frau endlich wieder sich normal bewegen konnte. Afra war erschöpft und spürte dies auch. "ich muss unbedingt eine Pause machen sonst bewahrheitet sich noch Kamarias Ahnungen," murmelte sie und rieb sich den Bauch. Ein lautes Knurren hatte ihr signalisiert, dass sie auch unbedingt etwas essen musste.
Afra rutschte langsam am Stamm des Baumes an dem sie gerade sich anlehnte nach unten und setzte sich resigniert ins Gras.
"Wie eine Anfängerin," schimpfte sie sich in Gedanken, "ich hätte doch wissen müssen, dass ich hier keine Feuer machen kann." Sie fluchte über ihren übereilten Aufbruch dann stand sie auf und ging auf einen dicken alten Baum zu. Mit einem Ruck riss sie eine großes Stück der Rinde ab und entdeckte ein paar Maden. "Zuwenig um satt zu werden," dachte sie und verwarf den Gedanken wieder. Kurz entschlossen begab sie sich zu der Stelle wo sie vor ein paar Stunden die Spuren markiert hatte. Die Fährte führte direkt in den Wald. Nach Afras Erinnerungen war der Wald etwa einen halben Tagesmarsch breit und daran schloss sich dann eine weite Ebene an die bis zum nächsten Gebirgszug reichte. In dieser Ebene waren die Lager der Tschurok. Unmöglich daran ungesehen vorbei zu kommen. Afra bis sich auf die Lippen und folgte den Spuren. Die Gruppe hatte sich keine Mühe gemacht ihre Spuren zu verbergen. Es war leicht für Afra, sie brauchte nur den abgebrochen Ästen und den Hufeindrücken im weichen Waldboden zu folgen. Die Jägerin lies sich Zeit. Sie hatte keine Eile die Lager der Tschurok bei Tageslicht zu erreichen. Noch hatte sie keinen Plan wie sie diesen Gegner ausschalten könnte. Am späten Nachmittag erreichte sie den Waldrand und blieb kurz stehen. Vor ihr lag die Ebene und feine Rauchsäulen deuteten auf die vielen Lager hin. Die Tschurok lebten in Familienclans und waren ein sehr kriegerisches Volk. Es gab einen Clan der Anführer. Eine angesehene Familie führte das Volk. Man erkannte das Lager der Anführer an den vielen Rauchsäulen die eng beieinander waren. Dort war das Hauptlager. Ehre ging den Tschurok über alles und sie hielten zusammen wie Pech und Schwefel. Hat man einem von Ihnen etwas angetan dann hatte man es allen angetan. Die Tschurok verehrten eine Göttin die sie Tschura nannten und die ihren Wohnsitz auf dem Mond hatte. Ihre Toten verbrannten sie immer bei Vollmond damit der Rauch den Weg zu Tschura finden konnte.
Afra verfolgte mit den Augen die Spuren und zog in Gedanken eine Linie in die Richtung in die die Fährte führte. Es war das Hauptlager. Mitten in ihren Überlegungen hörte sie plötzlich ein Geräusch und lies sich sofort flach auf den Boden fallen. Angestrengt lauschte sie. Da, da war es wieder. Ein Stöhnen von einem Menschen drang an ihr Ohr. Afra wartete noch eine Weile um sicher zu sein aus welcher Richtung die Laute kamen. Langsam richtete sie sich auf und zog ihr Messer. Sie konnte geräuschlos bis zu einem Dickicht vordringen und dahinter entdeckte sie am Boden einen Mann der offensichtlich schwer verletzt war und sich nicht mehr aus eigener Kraft helfen konnte. Afra konnte nicht erkennen was den Mann verletzt haben könnte. Wahrscheinlich hatte hier ein Kampf stattgefunden, denn Vorratsbeutel und Waffen lagen verstreut und außer Reichweite. Kurz entschlossen brach Afra durch das Geäst und ging auf den am Boden Liegenden zu. Es war ein Tschurok wie Afra jetzt an den Clanzeichen erkannte. Der Mann fuhr trotz seiner Schmerzen herum und starrte Afra erst wortlos an und dann hielt er abwehrend seine Arme vor sich und stotterte:
"Tschura, Tschura, die, die Skalpjägerin". Es war ein angstvolles Krächzen und als er die Aussichtslosigkeit in der er sich befand erkannte verbarg er sein Gesicht mit den Händen und wartete auf den Tod. Afra blieb ungerührt über dem Mann stehen.
"Du weißt wer ich bin?"
Das Gesicht tief in das Gras gedrückt nickte der Mann: "du bist die, die die Haare nimmt"
Afra fischte sich den Vorratsbeutel und setzte sich zu dem Verwundeten in das Gras. Mit dem Fuß stieß sie ihn an.
"Schau mich an," forderte sie den Mann auf und wühlte in dem Beutel. Sie fand etwas Trockenfleisch und ein paar Früchte die sie sich eiligst in den Mund stopfte.
"Du hast doch nichts dagegen?" fragte sie mit unüberhörbarem Spott in der Stimme, "so wie ich das sehe brauchst du das nicht mehr."
Der Mann riss vor Entsetzen die Augen auf und verlegte sich auf das Betteln.
"Lass Hadu als Mann vor Tschura treten, mit seiner Seele, mit seiner Ehre."
"Und dazu brauchst du deine Haare?" Der Mann nickte heftig.
"Es wäre für dich aber eine große Ehre wenn dein Haar an meinem Gürtel hängen würde." Voller Verzweiflung sackte der Mann wieder in sich zusammen. Die Unterhaltung verlief stockend weil Afra mit beiden Backen kaute und soviel Früchte als möglich in ihren Mund gestopft hatte. Als sie den Beutel geleert hatte rülpste sie laut und wischte sich über den Mund.
"Dein Skalp ist dir also wertvoll," sprach sie mehr zu sich selbst und begann den Mann zu untersuchen. Ohne auf das Gejammer zu achten dreht sie den Körper auf ihre Seite und pfiff leise durch die Zähne. In seinem Rücken steckte ein Pfeil. Der Schaft war abgebrochen. Das war wohl passiert als der Mann zusammengebrochen war und auf den Rücken fiel. Seltsam verkrümmt waren seine Beine. Als Afra die Beine strecken wollte heulte der Mann auf. Sie zückte ihr Messer um die Beinkleider aufzuschneiden. Der Mann aber deutete die Geste falsch und fing ein Gebet an. Mit einem Schnitt legte Afra das Bein frei und sah wie sich ein Knochen durch das Fleisch drückte. Die Beine waren also gebrochen.
"Da wollte es aber jemand gründlich machen, wer war das?" fragte Afra während sie den Mann weiter untersuchte.
"Thepal," zischte der Mann und trotz seiner Schmerzen spuckte er auf den Boden.
"Lass mich raten, du hast einem Thepal die Braut geklaut?" Der Mann schwieg und beobachtete ängstlich wie Afra ihn untersuchte.
"Du musst es mir nicht sagen," flüsterte Afra, "aber ich sehe, dass du zum Clan der Anführer gehörst, wie nennt sich dein Clan? Wer führt die Tschurok?"
"Die Hedscha sind der Stolz unseres Volkes", erklärte Hadu voller Trotz.
Afra richtete sich auf und begann zu überlegen. In ihrem Kopf formte sich ein tollkühner Plan. Dann legte sich ein Lächeln in ihr Gesicht und sie steckte ihr Messer wieder zurück in den Gürtel. Die große Frau beugte sich nach unten und hob mit einem Ruck den Körper des Verletzten an und legt ihn sich über die Schulter. Der Mann schrie auf vor Schmerzen.
"Komm du Hadu von den Hedscha, dein Skalp ist gerade sehr wertvoll geworden," lachte Afra und setzte sich in Bewegung.
"Was hast du vor Skalpjägerin?"
"Nichts, was du noch beeinflussen könntest. Ich möchte deine Brüder kennenlernen," murmelte Afra während sie sich einen Weg durch das hohe Gras bahnte und als Hadu nicht mehr antwortete fügte sie leise hinzu, "vielleicht wird es ein Tag des Sterbens, Pallas und Tschura werden ihre Freude haben."
Hadu bekam von alledem nichts mehr mit. Er war vor Schmerzen in eine tiefe Ohnmacht gefallen und das war Afra mehr als Recht. Sie konnte jetzt keine Störungen mehr gebrauchen oder riskieren dass das Bündel auf ihrem Rücken plötzlich anfing wild um sich zu schreien. Ohne Behinderung konnte Afra bis auf Sichtweite an das Hauptlager heran kommen. Die Dunkelheit hatte sich bereits wieder über das Land gelegt und der Mond war aufgegangen. Groß und rund war der Tempel von Tschura am Himmel zu sehen und er beleuchtete das Lager. Afra war mit ihrer Last in den Schatten eines Gestrüpps getreten und beobachtete das Lager. Sie lachte verächtlich vor sich hin. So nahe wäre man an ihr Lager nicht unbemerkt gekommen, selbst wenn sie Svenjas ganze Weinvorräte geleert hätte. Nichts konnte Afra entdecken was sie beuunruhigt hätte. Um ein großes helles Feuer saßen ein paar Männer. Die Anführer des Clans Hedscha. Weiter hinten standen ein paar Frauen in einer Reihe und stampften etwas in einem Kübel. Afra suchte die Wächter. Erst nach einer Weile sah sie zwei Tschurok um das Lager Kreise ziehen. Sie beobachtete die Wächter. Es waren die Einzigen die Wache hielten. Die Tschurok mussten sich also hier sehr sicher fühlen. Als die Wächter immer näher an Afras Standort kamen legte Afra ihrem Gefangenen die Hand auf den Mund und hielt selbst den Atem an. Wie eine Salzsäule stand sie im Schatten als die Männer fast greifbar nahe an ihr vorbei wanderten. Sie unterhielten sich angeregt. Die Wache war wohl eher lästig für sie denn sie maulten darüber, dass sie jetzt schon den dritten Tag das Los für die Wache gezogen hatten. Afra wartete bis die Jäger in ausreichender Entfernung waren und dann setzte sie sich in Bewegung. Jetzt gab es kein zurück mehr. Im Rücken der Wachen hetzte sie in langen ausgreifenden Schritten in das Lager direkt an das Feuer und tauchte dort ohne irgendeine Vorwarnung auf. Die Wirkung ihrer Erscheinung hätte nicht schlimmer sein können. Wie von Giftschlangen gebissen stoben die Männer vom Feuer weg und die Frauen liefen mit lautem Geschrei in die Zelte.
"Hua, Hua," das Geschrei hallte durch das Lager und innerhalb kürzester Zeit standen eine Menge Leute in respektvoller Entfernung um das Feuer und beinahe hundert Pfeile waren auf Afra gerichtet.
"Die Skalpjägerin," kreischte eine der Frauen und die anderen Weiber stimmten in ihr Geheul ein. Unter den Männer war ein Raunen und jetzt erst schien es dem Ältesten einzufallen, dass er wohl hier der Anführer sei und dass das sein Lager war. Sein Verhalten war wohl alles andere als mutig und bevor er sein Gesicht unter den Tschurok verlor entschloss er sich mutig vor zu treten. Sein Kriegerherz schien aber noch nicht groß genug zu sein denn er blieb immer noch in einem respektvollen Abstand vom Feuer weg wo Afra seelenruhig und ohne eine Miene zu verziehen stand.
"Du, du hast Nerven, " begann er mit belegter Stimme und musste sich räuspern um seiner Stimme einen entschlossenen Klang zu geben.
"Die du offensichtlich nicht hast, "konterte Afra im ruhigen Ton. Afra Nahm den Verletzten der immer noch Ohnmächtig war von den Schultern und legte ihn behutsam auf den Boden neben das Feuer. Dann nahm sie am Feuer Platz so als wäre es das selbstverständlichste der Welt.
"Er lebt noch," sagte sie zu dem Anführer, er nennt sich Hadu und wie du siehst hat er noch seine Haare."
Jetzt verlor der Anführer vollends seine Fassung und stürzte sich auf den am Boden liegenden Mann. Afra lies ihn gewähren und beobachtete aus den Augenwinkel was sich so im Lager tat. Sie bemerkte wie sich die Männer geschickt im Lager verteilten und versuchten unauffällig in ihren Rücken zu kommen. Aus dem Gestammel des Anführers konnte Afra herauslesen, dass Hadu sein Sohn war. Hektisch rief man nach irgendwelchen Namen und zwei Frauen kamen mit lautem Geheul angelaufen. Sie Warfen sich auf den leblosen Körper und heulten um die Wette.
"Ich sagte, er lebt noch," herrschte Afra den Anführer an, " wenn ihr ihn so weiter zudrückt wird er es aber nicht mehr lange tun."
So zur Ordnung gerufen besann sich der Anführer wieder seiner stolzen Stellung und winkte ein paar Männer heran die Hadu in ein Zelt bringen sollten. Dann nahm er bei Afra am Feuer Platz. Nach und nach kamen auch die anderen Anführer im Clan und setzten sich im Halbkreis vor Afra. Flankiert von seinen Männern gewann der Anführer an Sicherheit.
"Du bist Afra die Skalpjägerin und du weißt, dass heute dein Todestag ist," begann er und wedelte mit seinen Armen in der Luft herum. Seine Begleiter nickten und stießen dabei laute "Ha, Ha" - Rufe aus.
"Du hast Recht, ich bin Afra, aber mit deinen Vorhersagen wäre ich etwas vorsichtiger, " Afra beugte sich etwas vor und machte eine ernste Miene, "du könntest es nicht mehr überprüfen."
Die eiskalte Ruhe der langhaarigen Frau irritierte die Männer und sie schauten sich gegenseitig mit unsicheren Blicken an. So etwas hatten sie wohl noch nicht erlebt. Afra setzte noch eins drauf als sie eine Bewegung in ihrem Rücken wahrnahm.
"Seit wann sind die Tschurok feige Hunde und schauen einem Gegener auf den Rücken," zischte sie und beobachtete den Anführer. Ein ärgerliches Grummeln hob an.
"Warum beleidigst du uns, egal wie stark und geschickt du bist, wir sind in der Überzahl," kläffte der Anführer und fühlte sich jetzt wieder ganz sicher. Afra hatte die Handbewegung sehr wohl bemerkt und ein kurzer Blick über ihre Schulter bestätigte ihr, dass die Männer sich aus ihrem Rücken zurückzogen.
Afra deutete zum Mond. "Tschura wird weinen wenn sie sieht was aus einem tapferen Volk geworden ist. Ehre und Dankbarkeit scheint bei den Tschurok in Vergessenheit geraten zu sein."
Der Anführer und seine Männer warfen einen scheuen Blick in den Himmel.
"Schau Hadu deinen Sohn an. In seinem Rücken steckt ein Pfeil der Thepal. Ich bringe dir deinen Sohn, schenkte ihm das Leben und du bedrohst mich mit dem Tod. Was ist aus euch geworden?"
Für einen Moment herrschte Ratlosigkeit am Feuer. Auch die umstehenden Männern schienen nicht so recht zu wissen wie sie sich verhalten sollten. Afra wartete geduldig ab während die Anführer ihr gegenüber die Köpfe zusammen steckten. Offensichtlich waren sie in einem Konflickt. Nach einer Weile drehte sich der Anführer wieder zu Afra und sprach: "Die Tschurok sind ein stolzes Volk und wir unsere Ehre geht uns über alles. Wir schenken dir das Leben und für heute Nacht bist du unser Gast."
"Du Sohn eines Schakals, du hast dir gerade selbst das Leben geschenkt," murmelte Afra in einer Sprache die die Tschurok nicht verstanden. Dann wendete sie sich wieder dem Anführer zu und zeigte mit einem Lächelt das ihr schönes helles Gebiss zeigte wie sehr sie diese Nachricht freute.
"Ich bin beeindruckt und gerührt von deiner Großherzigkeit. So ehrenvoll hatte ich dein Volk in Erinnerung aber du hast vergessen mir Essen und Trinken anzubeiten und mir einen Schlafplatz zuzuweisen."
Afra wusste genau, erst wenn sie von ihrem Fleisch gegessen und von ihren Schläuchen getrunken hatte konnte sie sicher sein. Das Gastrecht war hier im Land der Ebene unantastbar. Der Anführer lies zähneknirschend Fleisch kommen und rief ein paar Männer herbei die Wasser in einem Schlauch bringen sollten. Afra griff ungeniert zu und ass soviel Fleisch wie sie konnte. Dann nahm sie den Schlauch und trank ihn gurgelnd leer. Ein lautes Rülpsen zeigte dass sie satt und zufrieden war. Die Männer die umherstanden liesen enttäuscht ihre Waffen sinken. Heute wurde niemand zu einem Helden und konnte sich feiern lassen.
"Ich bin auf der Suche nach vier Reitern und zwei Mädchen, " richtete sie plötzlich ihre Frage an die Anführer. Die Männer die die ganze Zeit staunend Afras Appetitt beobachtet hatten schauten sich ratlos an.
"Es war nur ein Mädchen," antwortete einer der Männer. Der Anführer fuhr ihm über das Maul: "Schweig!"
"Wir wissen nichts von Reitern und zwei Mädchen." Afra musste grinsen. Sie war also auf der richtigen Fährte aber sie drang nicht weiter auf die Männer ein und lies sich jetzt einen Schlafplatz zuweisen. Der Anführer selbst war es der ihr einen Platz zeigte.
"Du wirst es verstehen, dass ich dich nicht in eines unserer Zelte bitte. Heute nacht wirst du ungestört schlafen können. Morgen bei der Dämmerung aber bitte ich dich zu gehen."
"Ja, das verstehe ich," sagte Afra und legte sich auf die Felle am Boden. Als sie hörte wie sich die Schritte entfernten zog sie ihr Messer aus dem Gürtel und steckte es unter ihren Kopf in die Haare. Dann schloss sie die Augen und versuchte etwas Schlaf zu finden. Der Mond war schon weit gewandert und das Lager lag in völliger Dunkelheit. Nur die Feuer in der Mitte des Lagers warfen noch gespenstige Lichter durch die Reihen der Zelte. Dann hörte Afra wie sich leise jemand ihrem Schlafplatz näherte. Unauffällig langsam legte sie ihre Hand unter den Kopf und ergriff das Messer. Eine Hand legte sich auf ihre Schulter.
"Jägerin," flüsterte jemand an ihr Ohr. Niemand hätte es gewagt Afra vor einem Angriff auch noch aufzuwecken also blieb Afra ruhig liegen und bewegte sich nicht.
"Afra hört dich," gab sie leise Antwort.
"Die Reiter mit dem Kind sind zu einem Lager dort drüben bei den Bergen. In dem Lager sammeln sie sich um dann in ihre Heimat aufzubrechen. Das Lager liegt unterhalb eines Felsen der aussieht wie der Kopf eines Adlers."
"Ich danke dir," flüsterte Afra, "warum erzählst du mir das?"
"Mein Vater schickt mich. Hadu ist mein Bruder. Mein Vater selbst kann es dir nicht sagen. Er hat seinen Stolz."
"Danke du hast mir sehr geholfen."
Afra überlegte noch eine Weile. Diese Nachricht war sehr wertvoll für sie. Jetzt brauchte sie nicht mehr der Spur durch die Ebene zu folgen und sich unnötig in Gefahr bringen. Jetzt konnte sie einen Bogen schlagen. Das Ziel war bekannt.
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Die Jägerin Empty Re: Die Jägerin

Beitrag von SandyLee Di Jan 26, 2021 1:43 pm

Donnerstag 10. März 2011, 16:46
von Afra
Der Tod feiert Feste


Afra öffnete blinzelnd die Augen und wie es ihre Angewohnheit war blieb sie zunächst einmal ruhig liegen um alles in ihrer Umgebung in sich aufzunehmen. Ein Gekicher und Getuschel in ihrem Rücken sagten ihr, dass da jemand in ihrem Rücken sich aufhielt. Langsam drehte sie sich um und ein paar Kinder zogen sich weiter an die Hütten zurück weil Afra sich bewegt hatte. Neugierige Augen starrten sie an. Afra konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen. Die Blicke der Kinder waren gemischt mit Neugier und Furcht und jetzt wo Afra sie direkt anschaute zogen sie sich zwischen die Zelte zurück.
Die Sonne war noch nicht aufgegangen aber der Tag dämmerte schon. Über dem Lager lag tief am Boden ein Nebel und Afra konnte sehen wie sich ein paar Frauen am Feuer zu schaffen machten. Auch sie warfen immer wieder scheue Blicke herüber. Afra nickte ihnen stumm zu und drehte sich um, das Lager zu verlassen. Sie wollte es nicht auf eine Probe ankommen lassen wie lange die Gastfreundschaft hielt und beeilte sich aus dem Lager zu kommen. Im Laufen richtete sie ihren Gürtel, befestigte das Messer wieder so dass sie es jederzeit blitzschnell benutzen konnte. Erst jetzt bemerkte sich wie groß das Lager war und welch ein Wespennest sie sich da begeben hatte. Es dauerte eine ganze Weile bis sie die letzten Zelte hinter sich gebracht hatte und erst als sie den Waldrand wieder erreicht hatte hielt sie an.
Ihr Blick schweifte über die Ebene hinüber zu den Bergen. Dort war ihr Ziel, etwa einen Tagesmarsch entfernt. Afra wollte aber dort sein bevor die Dunkelheit wieder über das Land hereinbrach. Sie wollte sich noch bei guten Licht einen Überblick über die Situation bei dem Lager machen. Sie fixierte die Berge und machte einen markanten Felsen aus kurz unterhalb bevor sich die Berge in den Himmel schoben.
„Das muss der Adlerkopf sein,“ murmelte sie und schätzte die Entfernung ab. Ihr Herz begann zu klopfen und die Blutadern an ihren Schläfen pochten. „Wenn Janina wirklich dort ist, dann wird es sehr brenzlig für mich heute,“ schoss es ihr durch den Kopf. Afra zog noch ein Stück weiter zwischen die Bäume zurück und bei einer moosigen Fläche sank sie auf die Knie beugte sich tief nach vorne und legte ihr Gesicht in das Moos. Mit tiefen Atemzügen sog sie den herben Duft des Mooses ein und dann sprach sie ein Gebet.
„Pallas, verzeih mir, wenn ich nicht sehr oft zu dir spreche aber in meinem Herzen verehre ich dich. Oft bist du doch die Einzige die ich habe. Zugegeben, ich habe Freunde gewonnen aber ich bin allein. Deine Afra ist sehr allein und ich habe mir nie etwas sehnlicheres gewünscht als zu dir zu kommen und in deinem göttlichen Reich meinen Frieden zu finden. Vielleicht zeigst du dich mir nicht weil ich nutzlos bin.“
Afra machte eine kleine Pause und sog wieder die Luft ein. Nach einer Weile fuhr sie fort:
„Ich nütze dir nichts weil ich nie etwas anderes getan habe als zu jagen und zu töten. Was sollte ich anders tun?“
Afra schickte einen flehenden Blick in den Himmel.
„Ich möchte dich auch nicht anlügen. Was ich heute tue, das tue ich nicht für dich oder für die Amazonen auch nicht für meinen Ruhm. Meine Kriege sehen anders aus. Ich tue es für dieses Kind. Nein es ist nicht mein Kind aber ich könnte keinen Bären mehr jagen mit dem Wissen, dass ich Janina im Stich gelassen habe. Ich weiß ja nicht was mich dort drüben erwartet und vielleicht ist das heute ja mein letzter Tag aber ich habe mein Wort gegeben. Vielleicht können wir einen Handel machen. Gib Afra die Kraft ihr Versprechen einzulösen und ich lege dir das schönste Bärenfell in deinen Tempel.“
Afra machte eine Pause und wartete eine Weile ob sie irgendwo ein Zeichen sah das ihr sagte, dass Pallas sie gehört hatte.
„Du antwortest mir nicht. Ich verstehe das,“ murmelte sie traurig und stand auf.
Sie schüttelte kräftig ihr Haupt und die Haare flogen wild durch die Luft.
Mit beiden Händen drehte sie ihre Haare zu einem Zopf und band sie mit einer ledernen Schnur auf ihrem Rücken zusammen. Sie prüfte den Sitz des Messers und war zufrieden mit sich. Mehr Waffen hatte sie nicht dabei. Ein Bogen oder Speer nutze wenig wenn man dem Feind Auge in Auge gegenüberstand. Afra begann zu laufen und je mehr sie an Tempo gewann desto mehr verflüchtigten sich auch ihre Bedenken. Sie war jetzt ganz die Jägerin und sie wusste wo sie ihr Wild zu suchen hatte.
Vier Schritte einatmen, vier Schritte ausatmen immer mit dem Blick auf den Felsen mit dem Kopf eines Adlers. Erst als die Sonne im Zenit über der Ebene stand gönnte sich Afra eine kleine Pause. Sie legte sich der Länge nach in das Rinnsal eines kleinen Baches und verschaffte sich Kühlung. Nachdem sie ausreichen getrunken hatte setzte sie ihren Weg fort und erreichte das Lager als die Sonne bereits tief am Horizont stand und lange Schatten warf. Nur kurz schaute sie sich um und mit dem erfahrenen Blick der Jägerin entdeckte sie einen Felsvorsprung von dem aus sie das Lager beobachten konnte. Sie kletterte nach oben und presste sich flach auf den Boden. Ihr Atem ging heftig und der Schweiß tropfte an ihr herunter und bildete eine kleine Lache auf dem harten Gestein. Sie wischte sich das Wasser aus den Augen und wartete eine Weile bis sich die Augen an das Licht gewöhnt hatten.
Sie sah vier Männer um ein kleines Feuer sitzen. Über einem Dreibein hing ein Topf und ein kleines Mädchen rührte in diesem Topf herum.
Nur kurz gab es Afra einen Stich in die Magengrube. Das Mädchen dort unten war Janina. Die Jägerin fing sich aber sehr schnell wieder. Gefühle waren jetzt fehl am Platz. Etwas abseits der Feuerstelle war eine alte Hütte die schon sehr marode aussah. Afra spähte weiter und entdeckte sieben Pferde die weiter hinten auf einer Grasfläche an einen Baum gebunden waren. Wo waren die drei anderen Besitzer der Pferde. Das Lager schien ansonsten leer zu sein. Also von einer Versammlung konnte da noch keine Rede sein. Entweder die drei anderen waren in der Hütte oder aber nicht weit vom Lager irgendwo versteckt.
Afra überlegte fieberhaft. Sie musste an die Männer heran kommen ohne dass sie Gelegenheit hatte die kleine Janina wie eine Geisel gegen sich zu halten. Mitten in ihren Überlegungen kam plötzlich Bewegung in die Gruppe. Aus dem Unterholz von der Ebene her traten plötzlich 3 Männer zur Feuerstelle. Nach kurzer Unterhaltung verschwanden drei andere wieder in die gleiche Richtung. Jetzt wo Afra einen Anhaltspunkt hatte war es leicht für sie zu beobachten wo sich die Männer positionierten. Sie hatten also Wachen aufgestellt und sicherten das Lager zur Ebene hin ab. Afra entschloss sich zuerst die Wachen auszuschalten. Wenn es im Lager zu einem Kampf kam konnte sie niemanden in ihrem Rücken gebrauchen.
Afra rutschte auf dem Bauch rücklings vom Felsen und schlug einen Bogen bis zu der Stelle wo ein kleiner Waldsaum wie ein Sichtschutz zwischen dem Lager und der Ebene war. Sie legte sich flach auf den Boden, nahm ihr Messer zwischen die Zähne und schlängelnde sich im Schatten der aufkommenden Dunkelheit durch das Gras. Nach ihren Berechnungen musste der erste Wächter in unmittelbarer Nähe sein.
Kein Laut war zu hören und Afra hob etwas den Kopf an um besser sehen zu können. Etwa fünf Körperlängen vor ihr saß ein Mann im Gras und hatte den Blick auf die Ebene vor sich gerichtet. Anscheinend war er so fasziniert von dem rötlichen Himmel am Horizont dass er völlig seine Umgebung vergaß. Langsam und unendlich langsam schob sich Afra an ihn heran. Als sie so nahe war, dass sie den Mann mit ausgestrecktem Arm erreichen konnte fasste sie sich kurz entschlossen ein Herz. Ein kurzer prüfender Blick ob auch keine weiteren Wächter in der Nähe waren und sie erhob sich im Rücken des Mannes. Das Geräusch das Afra dabei verursachte lies schreckte den Mann auf aber für ihn war es zu spät. Afra legte mit festen Griff ihre Hand von hinten auf den Mund des Wächters setzte das Messer an der Kehle an und zog entschlossen durch. Den zuckenden Körper drückte sie mit der Hand auf dem Mund auf den Boden und drückte mit der anderen Hand sein Gesicht in das Gras. Erst als der Körper nicht mehr zuckte ließ sie ihn los und kroch weiter. Nach etwa einer halben Stunde hatte sie den zweiten Wächter vor Augen. Der Mann lehnte mit dem Rücken an einen Baum und schnitzte mit dem Messer an einem Stock herum. Der Grasboden erleichterte Afra das Anschleichen und sie kam unbemerkt bis an die Wurzel des Baumes. Wenn der Wächter sich nur einmal umgedreht hätte, dann hätte er die Frau die da wie ein riesiger Schatten an der Seite des Baumes in die Hocke gegangen war entdeckt und vielleicht Alarm für das Lager geschlagen. Afra überlegte kurz. Da der Mann sich anlehnte konnte sie unmöglich mit einem schnellen Griff ihm den Mund zuhalten. Außerdem hatte er das Messer in der Hand. Ein Schnitt durch die Kehle war jedenfalls nicht einfach zu bewerkstelligen. Afra nahm ihr Messer zwischen die Zähne, sprang wie von einer Feder geschoben an der Seite des Wächters in die Höhe. Blitzschnell legte sie beide Hände um seinen Kopf und riss den Kopf zur Seite. Ein hässliches, knackendes Geräusch war zu hören und der Körper des Mannes hing leblos in ihren Händen. Langsam ließ sie den Toten auf den Boden gleiten und zog ihn ein Stück weiter in das Gebüsch.
Sie orientierte sich kurz und schlich weiter in die Richtung wo sie den dritten Mann vermutete. Der Mann vor ihr schien etwas nervös zu sein. Unruhig wanderte er auf und ab. Immer wenn er Afra den Rücken zudrehte schob sie sich etwas näher an ihn heran. Afra schien eine Einheit mit dem Erdboden zu sein so flach lag sie da im Gras. Reglos wie ein dunkler Schatten. Irgendetwas schien den Mann alarmiert zu haben denn er verkürzte seine Wege und schaute unruhig durch die Bäume in die Ebene. Sein Blick war suchend und Afra konnte es nicht mehr länger riskieren. Noch ein paar Schritte und er musste fast über sie fallen. Als der Mann gerade im Begriff war weiter auf die Stelle zuzugehen wo sie lag erhob sie sich lautlos und stand plötzlich in voller Größe vor ihm. Deutlich war zu sehen wie ihm der Schreck in die Glieder gefahren war und wie er die Fassung verlor. Afra nutzte diesen Moment aus und drehte sich mit Schwung um die eigene Achse und schlug mit voller Wucht und mit ganzer Kraft ihren rechten Handballen gegen den Kopf des Mannes. Sie traf ihn genau am Ohr. Im ersten Moment konnte sie nicht sagen ob das Krachen von Knochen von ihrer Hand oder vom Schädelknochen war. Der Mann wankte nur kurz und blieb stumm stehen. Den Mund hatte er geöffnet ab der Ruf den er ausstoßen wollte kam nicht aus seiner Kehle. Afra sah wie ein blutiges Rinnsal aus seinem Mundwinkel herauslief. Auch aus dem Ohr lief plötzlich Blut und der Mann brach zusammen und fiel rumpelnd auf den Boden. Afra duckte sich und lauschte in die Nacht. Alles war ruhig geblieben und kein Laut drang vom Lager zu ihr herüber. Schnell begab sie sich in die Baumgruppe um im Lager nach den Rechten zu sehen.
Gerade rechtzeitig noch um zu sehen wie einer der Männer sich von den anderen verabschiedete, sich das Mädchen schnappte und mit dem Kind in der Hütte verschwand.
„Das habt ihr nicht umsonst gemacht,“ murmelte sie vor sich hin und überlegte wie sie an die drei Männer am Feuer kommen sollte. Mitten in ihren Überlegungen stand einer der Männer auf und setzte sich genau in ihre Richtung in Bewegung. Afra zog sich etwas zurück und ging in die Hocke. Kaum zwei Körperlängen vor ihr blieb der Mann stehen, dreht sich zum Lager und zeigte Afra den Rücken. Der Mann nestelte an seiner Kleidung herum und lies die Hosen zu Boden. Dann ging er in die Hocke um seine Notdurft zu verrichten. Afra zögerte keine Sekunde. Mit zwei schnellen Schritten war sie hinter dem Mann und rammte ihm mit voller Wucht mit beiden Händen das Messer in das Genick. Ohne einen einzigen Laut von sich zu geben fiel der Mann ins Gras. Afra hatte Mühe das Messer aus den Knochen zu ziehen und musste sich mit den Füssen dagegen stemmen. Kurz entschlossen verschwand Afra wieder im Unterholz und schlug einen Bogen bis sie bei den Pferden war. Sie suchte sich ein etwas älteres gutmütig aussehendes Tier aus. Sie tätschelte das Tier und klammert sich an dessen Hals. Mit den Füssen schwang sie sich auf und hing jetzt wie ein Beutel vorne am Hals des Pferdes. Es dauerte auch nicht lange bis die beabsichtigte Wirkung einsetzte. Die Pferde wurden unruhig und begannen mit den Hufen zu scharren. Ein Mann näherte sich um nach den Tieren zu sehen. Er ging von einem Tier zum anderen und tätschelte die Pferde am Hals. Als er bei dem Pferd ankam an dessen Hals sich Afra gehängt hatte löste sich Afra plötzlich, umfasste den Mann von hinten, hielt ihm den Mund zu und zog mit dem Messer durch die Kehle. So sehr sich der Mann auch wehrte aber diesem kräftigen Griff konnte er nicht entkommen. Afra wartete bis nur noch ein Röcheln aus seinem Mund kam und die Augen ihren Glanz verloren dann lies sie den Körper auf den Boden gleiten und zog ihn von den Pferden weg. Mit einem Tuch des Mannes wischte sie sich das Blut ab das auf sie gespritzt war. Als die Pferde wieder ruhig standen machte sie sich auf den Weg zum Feuer. Sie bemühte sich dem Mann am Feuer von hinten näher zu kommen. Ohne sich umzudrehen fragte dieser ob den bei den Pferden alles in Ordnung sei. Afra lief ohne zu zögern weiter und gab etwas leiser zur Antwort, dass alles in Ordnung sei. Fast schon hatte sie das Feuer erreicht als der Mann plötzlich aufstand und sich umdrehte. Afra rammte ihm ihr Messer in die Brust, lies es einfach stecken und packte den Kopf mit beiden Händen und brach dem Mann noch zusätzlich das Genick. Sie ließ ihn einfach fallen. Afra war in einen regelrechten Rausch geraten. Ihre Nasenflügel bebten und mit einen gehässigen Grinsen leckte sie das Blut von der Klinge.
„Jetzt du noch mein Freund,“ murmelte sie und legte sich vor die Hütte um zu lauschen.
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Die Jägerin Empty Re: Die Jägerin

Beitrag von SandyLee Di Jan 26, 2021 1:44 pm

Montag 14. März 2011, 13:35
von Afra
Endlich vereint


Zuerst konnte Afra nichts hören von dem was da in der Hütte vor sich ging. Das Jagdfieber hatte sie gepackt und lies das Blut in ihrem Kopf rauschen. Ihre Nasenflügel vibrierten und am liebsten wäre sie sofort durch die Tür gerannt. Nur mit Mühe hämmerte sie sich selbst Geduld ein. Wenn Janina zu nahe bei dem Mann war und sie die Tür nicht schnell genug aufbekam dann bestand die Gefahr, dass der Kerl Janina als Geisel wie ein Schild gegen Afra benutzte. Genau das galt es zu vermeiden. Langsam lies das Hämmern in ihrem Kopf nach und Afra vernahm deutlich die weinerliche Stimme von Janina. Irgendetwas weigerte sie sich zu tun und der Mann fuhr sie barsch an. Die Stimmen kamen aus der gleichen Ecke, die beiden Menschen waren also dicht beieinander. Afra schaute sich die Hütte etwas genauer an. Sie suchte eine Lücke im Gebälk durch die sie in das Innere spähen konnte. Nichts. Dann betrachtete sie sich genau die Türe. Das Schloss war eine einfache Holzfalle wie sie an beinahe allen Hütten zu finden war. Ein einfacher Hebel der im Türrahmen innen und außen in eine geschnitzte Nute fiel. Innen sicherte man den Hebel mit einer Lederschlaufe um ein Öffnen von außen zu verhindern. Afra nahm an, dass die Tür nicht gesichert war. Wovor sollte sich der Mann in der Hütte schützen?
Immer wieder spähte Afra nach hinten über das Lager. Irgendwie hatte sie ein ungutes Gefühl und sie hatte gelernt diese Hinweise nicht zu missachten. Vielleicht war es aber nur die letzte Aufregung, die Anspannung vor dem letzten Akt. Bisher war alles glatt verlaufen. Viel zu leicht dachte Afra und dachte an die sechs toten Männer. Jeder Bär hätte sie da vor größere Herausforderungen gestellt. Gerade das aber machte Afra unruhig. Irgendwie mussten sich doch diese Männer wie Krieger verhalten. Jedenfalls konnten sie nicht so unerfahren sein wenn sie solche weiten Strecken im Land herum reisten. Sicher rechneten sie mit Ärger sonst hätten sie keine Wachen eingeteilt. Aber sie rechneten wohl nicht mit einer einzigen Jägerin. Sie wappneten sich wohl für einen Überfall durch eine ganze Horde. Das zeigte auch die Absicherung zur Ebene hin.
Afra hatten sie bestimmt nicht auf ihrer Rechnung.

In der Hütte wurde es lauter und Afra wurde aus ihren Gedanken gerissen. Janina fing wieder an zu weinen und der Mann brüllte sie an, dass er froh sei wenn Janina endlich ihrer Bestimmung zugeführt worden sei.
„Afra wird mich holen kommen,“ die Stimme von Janina klang trotzig und kam aus der rechten Ecke der Hütte.
„Aaaaafraaa,“ brüllte Janina und die Frau vor der Tür fühlte wie es ihr in die Magengrube fuhr.
„Halt dein Maul,“ brüllte der Mann zurück, „halt endlich still.“
Der Mann schlurfte durch die Hütte und Afra verfolgte das Geräusch. Die Schritte waren schwer und Afra schätzte, dass da drinnen ein großer und schwerer Mann in die linke Ecke lief.
„Endlich!“ schoss es ihr durch den Kopf, „endlich seid ihr getrennt.“
„Wenn deine Afra kommt, werden wir unseren Spaß mit ihr haben,“ blaffte der Mann aber das hörte Afra schon gar nicht mehr richtig.
Kurzentschlossen war sie aufgestanden und ein paar Schritte rückwärts gelaufen. Dann lief sie mit voller Wucht und mit all ihrer Kraft gegen die Tür.
Das Holz splitterte und krachte und Afra flogen die Holzteile um den Kopf. Noch während sie so durch die Tür brach schrie sie laut:
„Janina hau ab nach draußen!“
Die Wucht mit der Afra in die Hütte einbrach war so groß, dass Afra gar nicht mehr richtig zum Stehen kam. Die Kiste die da mitten in der Hütte am Boden stand sah sie zu spät und sie stolperte, verlor das Gleichgewicht und rumpelte an die gegenüberliegende Wand. Ein großer langer Holzkeil, ein Splitter der sich beim Bersten der Türe in ihrer Kleidung verfangen hatte bohrte sich durch ihren Bauch in ihre rechte Seite. Ein wütender schmerzlicher Aufschrei mischte sich in das ächzen der Bretterwand an die Afra geflogen war. Instinktiv und ohne groß nachzudenken schnellte Afra in die Höhe und beeilte sich zwischen den Mann und der Türöffnung zu kommen um Janinas Flucht abzusichern. Was aber war mit dem Mann los? Der Schreck hatte ihn gelähmt und im Zeitlupentempo zog er ein Langmesser aus seinem Gürtel.
„Die Skalpjägerin,“ stotterte er, „jetzt weiß ich wen die Göre vorhin gemeint hat.“ Seine Augen flackerten nervös hin und her und immer wieder suchten sie den Blick nach draußen. Mit seiner Intelligenz schien es nicht weit her zu sein. Wie kann er nur annehmen, dass Afra das Kind nach draußen schicken würde wenn dort noch weitere Männer wären. Afra lächelte gequält, sie wunderte sich immer wieder, dass sie so bekannt war und welche Wirkung ihre Erscheinung bei ihren Gegenüber auslöste.
„Auf Hilfe brauchst du nicht hoffen,“ eiskalt und ruhig sprach Afra den Mann an, „deine Freunde haben mich schon begrüßt.“
Afra begann Gefallen zu finden an dem Spiel. Immer wenn sie einen Gegner vor sich hatte taxierte sie ihre Chancen und suchte die Schwachstellen. Sie bemerkte wie der Mann nervös ein paar Namen rief. Als er keine Antwort bekam wankte er auf seinen Füssen hin und her, verlagerte das Gewicht immer von einem Bein auf das nächste. Aufgeregt drehte er immer wieder das Messer in seiner Faust. Mal war die Klinge nach oben, mal nach unten gerichtet. Afra tastete ohne den Mann aus den Augen zu lassen nach ihrem Messer am Gürtel. Irritiert stellte sie fest, dass ihre Hand ins Leere griff. Da war kein Messer mehr. Sie musste es vorhin bei ihrem Sturz verloren haben. Ein flüchtiger Blick zum Boden an der Wand gaben ihr Gewissheit. Dort lag ihr Messer. Der Mann vor ihr hatte den suchenden Blick bemerkt und grinste überheblich als er sah, dass Afra waffenlos war. Nur kurz dauerte die Schrecksekunde für Afra dann konzentrierte sie sich wieder ganz auf den Mann. Sie schaute ihm direkt in die Augen und wartete auf das verräterische Aufblitzen das einen Angriff ankündigte. Die Augen starr auf den Mann gerichtet zog Afra den Holzsplitter aus ihrem Bauch und stöhnte schmerzhaft auf. Sie betrachtete den Holzkeil und überlegte ob er sich eventuell als Waffe eignen würde. Sie verwarf aber den Gedanken wieder und warf das Holz einfach in die Ecke. Ihre blutigen Hände putzte sie an ihrem ledernen Rock ab. Jede Faser in ihr war jetzt zum zerreißen gespannt.
„Jeder Weg ist endlich, deiner endet hier und jetzt,“ höhnte der Mann und drehte die Klinge nach oben. Er plante also einen Angriff von unten herauf. Afra ließ sich nicht von dem Gerede ablenken. Draußen schrie Janina nach Afra. Afra winkte dem Mann mit der Hand auffordernd zu.
„Lass es uns zu Ende bringen, die Götter warten nicht ewig,“ forderte sie ihn auf und verlagerte ihr Gewicht auf die Zehenballen um sofort sprungbereit zu sein. Da, endlich, kaum merklich schlugen die Augenlider zu und in der gleichen Sekunde begann der Angriff. Afra hatte die Zeichen richtig gedeutet und ihre Arme wie ein großes X zusammengepresst um den tödlichen Hieb gegen ihren Bauch abzuwehren. Mit ihren Armen konnte sie die Wucht des Angriffs abbremsen und mit einem kleinen Schritt nach hinten dem Messer ausweichen. Sie ließ den Arm des Mannes los und dreht sich etwas zur Seite. Vom Schwung des Angriffs wurde der Arm des Mannes nach oben in die Luft gerissen und der Angriff ging ins Leere. Afra kam seitlich mit der Schulter in den Körper des Mannes, ergriff mit beiden Händen den Arm der das Messer führte, packte den Arm mit kraftvollem Griff und zog in mit voller Kraft nach unten. Ihr Knie schnellte nach oben und der Arm wurde wie ein Stück Holz gebrochen. Das Messer schlitterte über den Boden. Das Brechen des Knochenarmes ging im aufheulenden Schmerzensschrei unter. Afra löste sich geschickt von ihrem Gegner und beeilte sich das Messer aufzuheben. Sie fasste das Messer an der Klinge und hielt dem Mann den Griff entgegen.
„Hier, du hast noch einen Arm,“ sagte sie ohne Aufregung und ihre Stimme klang kalt und höhnisch. In dem Gesicht des Mannes stand die reine Todesangst. Nichts mehr war von seiner Überheblichkeit zu spüren. Mit aufgerissenem Mund und starr vor Entsetzen starrte er auf seinen abgeknickten Unterarm. Dann drehte er sich zu Afra um und ging ein paar Schritte Rückwärts den linken Arm hielt er dabei abwehrend vor sich.
„Nein, nein,“ keuchte er, ich will das Messer nicht mehr.“
Afra lächelte ihn an, wippte auffordernd das Messer mit der Klinge in der Hand.
„Willst du deine Chance nicht nutzen,“ fragte sie lauernd und machte ein paar Schritte auf ihn zu. Der Mann wich bis an die Wand zurück.
„Du wirst keinen Waffenlosen töten, du nicht,“ grinste er sie an
„Sicher?“ fragte Afra ruhig zurück und lies das Messer einmal in der Luft um die Achse wirbeln um es dann mit dem Griff wieder aufzufangen. Sie hielt ihm jetzt das Messer auf das Hemd genau an die Stelle wo das Herz sein musste. Der Mann starrte sie mit aufgerissenen Augen an und er versuchte seinen letzten Trumpf auszuspielen.
„Deine Ehre verbietet es dir einen wehrlosen Mann zu töten,“ hechelte er Afra entgegen. Die aber trat jetzt ganz nah an den Mann heran, die Spitze des Messer drückte auf die Brust. Ihre Nasenspitzen berührten sich.
„Ich habe keine Ehre, du hast mein Kind entführt,“ zischte sie und drückte das Messer mit ihrer Kraft ganz langsam in die Brust hinein.
Ungläubig schaute der Mann an sich herunter auf die Klinge in seiner Brust. Er öffnete den Mund und wollte noch etwas sagen, brachte aber keinen Ton mehr heraus. Afra lies das Messer los und der Mann rutschte mit gebrochenen Augen an der Wand nach unten auf den Boden. Ungerührt schaute Afra von oben auf das leblose Bündel herab. Sie überlegte sich noch ob sie den Mann skalpieren sollte. Aber dann hörte sie draußen Janina rufen. Die Kleine hatte Angst und sie wusste ja nicht wie es hier drinnen ausgegangen war. Afra verwarf den Gedanken sich die Haare zu nehmen, sie eilte in die Ecke wo ihr Messer lag und dann trat sie nach draußen.

Janina lief ihr heulend in die Arme und Afra drückte sie fest an sich.
Sie strich immer wieder über den Kopf der Kleinen und drückte ihre Wange an die feuchten Backen.
„Alles ist gut, Afra ist bei dir, du brauchst keine Angst mehr zu haben.“
Afra verstand fast nichts von dem was Janina ihr sagte. Ihre Worte gingen in dem Schluchzen unter und Afra versuchte so gut sie konnte Janina zu beruhigen.
„Keine Angst, Afra wird dich nicht mehr alleine lassen. Ich bringe dich nach Hause.“
Während Afra Janina fest im Arm hielt um dem Mädchen wieder Sicherheit zu geben spähte sie immer wieder in die Büsche. Irgendetwas hatte sie alarmiert. Sie legte einen Finger auf die Lippen von Janina und machte ihr ein Zeichen ruhig zu sein. Janina begriff sofort und schluchzte nur noch leise vor sich hin. Afra stand auf und ging ein paar Schritte in Richtung der Pferde. Sie sah am Horizont eine Staubwolke im faden Mondlicht. Da war jemand unterwegs in dieses Lager. Afra ging wieder zu Janina und kniete sich vor das Mädchen.
„Hör mal zu,“ begann sie ruhig, „wir bekommen Besuch. Ich wollte uns eigentlich die Pferde da vorne richten aber dafür haben wir jetzt keine Zeit mehr. Wir müssen verschwinden. Glaubst du, du kannst mit mir laufen?“
Janina nickte stumm und klammerte sich an Afra. Ohne weitere Worte nahm Afra die kleine Hand von Janina und hielt sie fest. Afra zog das Mädchen mit sich in die Felsen um von dort einen Bogen bis zu den Wäldern zu schlagen. Sie würden zwar einen längeren Weg nehmen aber dafür die Ebene umgehen. Janina lief tapfer neben Afra her.
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Die Jägerin Empty Re: Die Jägerin

Beitrag von SandyLee Di Jan 26, 2021 1:44 pm

Dienstag 15. März 2011, 14:21
von Afra
Die Rückkehr

Die kleine Janina lief stumm und keuchend neben Afra her. Mit ihren kleinen Füßchen konnte sie kaum mit der großen Frau mithalten und Afra musste mehr als einmal ihren Lauf bremsen. Ihr Bauch schmerzte und immer wieder kam Blut aus der Wunde. Aber darauf konnte Afra jetzt keine Rücksicht nehmen. Wenn das in diesem Tempo so weiter ging dann würden sie über eine Woche brauchen um nach Hause zu kommen. Zu lange und viel zu gefährlich. Je länger sie brauchten um dieses feindliche Land hinter sich zu lassen desto größer war die Gefahr, dass sie auf feindlich gesinnte Jäger treffen würden. Bis jetzt hatte Afra Glück gehabt, großes Glück und in Gedanken schickte sie ein dankbares Gebet zu Pallas.
Janina keuchte neben Afra her. Ihre Nase schniefte und immer wieder geriet sie ins Straucheln und musste von der kräftigen Hand gestützt und nachgezogen werden. Afra suchte die Umgebung mit ihren Augen ab. Bis zum rettenden Wald war es noch ein weites Stück. Afra traute sich zu, auch mit Janina im Wald gut unterzutauchen und sich notfalls auch wehren zu können. Hier auf der Ebene aber liefen sie wie auf einem Präsentierteller herum und das war fast wie eine Einladung für allerlei Gesindel. Afra hielt kurz an um zu überlegen. Janina musste sie festhalten, die Kleine war völlig erschöpft. Zu allem Überfluss bemerkte Afra hinter sich eine Staubwolke. Sie hatten also Verfolger. Afra schätzte, dass die Jäger sie in etwa 2 Stunden eingeholt haben würden. Mit Janina würde sie den schützenden Wald also nicht mehr rechtzeitig erreichen. Fieberhaft schaute sich Afra um und suchte nach einem geeigneten Schutz. Weiter hinten, in der Richtung aus der sie kamen waren auf der linken Seite ein paar Felsen mit einer kleinen Baumgruppe. Afra holte ihre Fußfelle vom Gürtel und band sie sich um ihre nackten Füße. Kurzentschlossen packte sie Janina und setzte sie sich auf die Schulter.
„Halt dich gut fest Kleines und mach dich ganz klein, wir müssen ein kleines Spiel machen,“ sprach sie ruhig und Janina klammerte sich um Afra`s Hals. Jetzt lief Afra den Weg den sie gekommen waren wieder zurück. Rückwärts und immer darauf achtend, dass sie genau dort den Boden berührte wo auch ihre Füße Spuren in das weiche Gras gedrückt hatten. Von oben, von einem Pferd würde man kaum die doppelten Last der Spuren bemerken. Etwa die Zeit einer halben Stunde lief Afra den Weg zurück. Auf Höhe der Felsgruppe aber machte sie einen riesen Satz zur Seite und lief langsam um nicht zu deutliche Spuren zu hinterlassen auf die Felsgruppe zu. Kaum hatten sie die Felsen erreicht suchte Afra einen geeigneten Platz wo sie sich mit Janina in den Bäumen verstecken konnte und wo sie noch einen Blick auf die Ebene hatte. Erschöpft ließ sich Afra auf den Boden nieder, lehnte mit dem Rücken an einen Baumstamm. Sie nahm Janina auf den Schoss und hielt sie fest umklammert.
„Egal was jetzt kommt, du musst ganz leise sein, verstehst du?“
Janina nickte nur schniefend und schaute Afra mit großen Augen an. Ihre Hände krallten sich in Afras Lederbluse.
„Nicht weggehen,“ wimmerte sie leise, „nicht weggehen.“
„Keine Angst, ich lasse dich nicht mehr alleine, Afra bleibt bei dir. Aber du musst jetzt ganz tapfer sein.“ Afra legte Janina einen Finger auf die Lippen zum Zeichen, dass sie sich ganz ruhig verhalten soll dann legte sie ihre Arme schützend um das Kind. Nur zur gerne hätte Afra jetzt ihre Augen zu gemacht und geschlafen. Sie fühlte sich müde und kraftlos. Ihr Herz schlug heftig und die Wunde an ihrem Bauch pochte kräftig.
Fast wäre Afra auch eingenickt aber dann sie sie fünf Reiter über den Hügel kommen. Im Pferdetrott folgten sie einer Spur. Alle Müdigkeit war verflogen. Sie ritten an der Stelle vorbei wo Afra seitlich zu den Felsen ausgebrochen war und folgten weiter der Spur. Plötzlich stoppte der Trupp und einige ritten ratlos hin und her.
„Ja,“ dachte Afra, „in Luft aufgelöst,“ und grinste vor sich hin.
Afra erkannte die Clanzeichen an den geschmückten Pferden. Es waren Tschurok. Nur die Tschurok schmückten ihre Pferde in dieser Art. Es war ein Reitervolk und völlig vernarrt in ihre Pferde. Die Gruppe diskutierte. Afra erkannte das an dem Gefuchtel mit den Armen. Plötzlich aber teilte sich die Gruppe auf. Jeder Reiter nahm eine andere Richtung und suchte im Zickzack die Ebene ab. Einer der Reiter suchte den Weg ab den sie gekommen waren. An der Stelle wo Afra die Spur verlassen hatte hielt er an und stieg vom Pferd. Langsam, immer größere Kreise ziehend umrundete er die Stelle und plötzlich schien er entdeckt zu haben was er suchte.
„Wir sind entdeckt,“ schoss es Afra durch den Kopf und zog unbemerkt von Janina ihr Messer und legte es griffbereit neben sich ins Gras.
Der Jäger hatte seinen Bogen von der Schulter genommen und einen Pfeil aufgespannt. Schussbereit folgte er geduckt der Spur. Insgeheim musste Afra diesem Mann Respekt zollen. Er hatte sich nicht beirren lassen und war auch jetzt nicht leichtsinnig. Dann versperrte ein kleiner Felsen die Sicht auf den Mann und Afra umklammerte instinktiv den Griff ihres Messers. Ruhig atmend erwartete sie sein Auftauchen. Es musste alles sehr schnell gehen bevor er seine Freunde alarmieren konnte.
Der Jäger kam zwischen den Felsen hervor und hatte seinen Bogen schussbereit auf Afra gerichtet. In diesem Moment musste auch Janina bemerkt haben dass etwas nicht stimmte. Sie drehte ihren Kopf und sah den Mann. Weinend versteckte sie ihr Gesicht an Afras Hals und Afra legte ihr beruhigend eine Hand auf den Mund.
„Pssst,“ war alles was sie sagte und beobachtete ohne eine Regung den Jäger der Schritt für Schritt näher kam. Afra wollte schon zu einem Wurf mit dem Messer ausholen und konzentrierte sich schon darauf mit Janina sich blitzschnell zur Seite zu rollen als ihr plötzlich auffiel, dass der Jäger überhaupt keine Anstalten machte nach seinen Freunde zu rufen. Einen Moment zögerte sie.
„Lass es Skalpjägerin,“ kam es hektisch aus dem Mund des Jägers, „lass es. Es gibt keinen Grund.“
Afra forschte in den Augen des Mannes, konnte sich aber darauf keinen Reim machen. Erst als der Mann seinen Bogen senkte und den Pfeil wieder in den Köcher steckte entspannte sie sich.
„Du bist eine große Jägerin, ich kenne niemanden der dir das Wasser reichen könnte.“ Der Mann hatte ein Grinsen im Gesicht und sprach sehr ruhig. Er zeigte auf Janina: „Wie ich sehe hast du dein Ziel erreicht,“ dann zeigte er mit dem Daumen hinter sich, „und dort hast du ganze Arbeit geleistet, das macht dir so schnell niemand nach. Was sind deine Pläne?“
„Ich werde dieses Kind nach Hause bringen,“ sprach Afra mit dem Brustton der Überzeugung und ließ keinen Zweifel daran, dass sie auch jetzt noch gewillt war ihr Ziel zu erreichen. Der Mann schwieg dazu und plötzlich brach es aus ihm heraus:
„Ich hasse die Herodes, sie rauben unsere Kinder und opfern sie einem Götzen. Wir alleine sind zu schwach um uns dagegen wehren zu können. Die Niederlage die du ihnen heute beigebracht hast tut meiner Seele gut.“ Dann schwieg er wieder und auch Afra sagte keinen Ton. Die beiden Jäger schauten sich in die Augen.
„Bring dein Kind nach Hause. Ich kann nicht für meine Leute garantieren. Zu viele Legenden ranken sich um deinen Namen. Für mich aber war es eine Ehre die große Skalpjägerin getroffen zu haben.“ Ohne weitere Worte drehte er sich um und lief davon. Afra schaute ihm hinterher. Als der Mann fast schon die Felsen erreicht hatte rief sie ihm hinterher: „Verrätst du mir deinen Namen?“
Der Mann stoppte, drehte sich um und kam wieder ein paar Schritte zurück.
„Warum willst du das wissen?“
„Ich würde gerne den Namen kennen eines großen Jägers, den ich heute getroffen habe.“
Der Mann strahlte über das ganze Gesicht.
„Du hältst mich für einen großen Jäger?“
Afra nickte, „für einen sehr großen Jäger.“
„Mein Name ist Hadi, der Bruder von Hadu dem du das Leben gerettet hast. Ich bin der zweite Sohn,“ brach es stolz aus ihm heraus.
Afra nickte dem Mann zu. „Hadi ich hoffe wir begegnen uns einmal unter besseren Umständen, du hast einen Dienst bei mir gut. Tschura möge über deine Wege wachen.“
Als der Mann verschwunden war atmete Afra tief durch und tätschelte Janina beruhigend den Kopf.
„Du warst sehr tapfer, ich bin richtig stolz auf dich.“
Janina löste sich langsam von Afra und fingerte an ihren Füßen herum. Jetzt erst bemerkte Afra dass Janina keine Schuhe an hatte.
„Wo sind deine Schuhe?“ fragte sie.
„Hab ich verloren,“ war die knappe Antwort.
Afra überlegte nur kurz, dann nahm sie die Felle von ihren Füßen und wickelte diese um die Füße von Janina. Sie band sie fest und forderte Janina auf zu probieren ob sie damit laufen konnte. Janina lief ein paar Mal hin und her und verkündete, dass sie gut darin laufen könne.
„Dann hör mir einmal zu,“ begann Afra, „was ich dir jetzt sage ist sehr wichtig.“ Als Janina nickte fuhr Afra fort:
„Wir müssen so schnell wie möglich hier weg. So glücklich wie eben kommen wir nicht immer davon. Du bist müde und ich bin müde. Wir laufen jetzt ganz gemütlich bis zu dem Wald dort vorne. Dort werden wir uns schlafen legen. Morgen früh werde ich dich auf meinen Rücken nehmen und dort festbinden. Dann laufen wir bis wir zu Hause sind. Ist das ein guter Plan für dich?“
Janina kam auf Afra zu und legte ihre Ärmchen um ihren Hals.
„Nicht mehr weggehen, ich habe Angst.“
„Wir bleiben zusammen, wir haben ja jetzt auch einen Plan,“ Afra stand auf, nahm Janinas Hand und lief mit ihr in Richtung des Waldes. Die Reitergruppe hatte sich verzogen und trotzdem riskierte Afra nichts. Sie achtete jetzt noch mehr darauf so wenig wie möglich aufzufallen.
Am späten Nachmittag erreichten sie den Wald der sich in einem großen Bogen bis zum heimatlichen Gebirge erstreckte. Da Afra jetzt keinen Spuren mehr folgen musste brauchte sie auch nicht in die Ebene. Hier durch den Wald war der Weg zwar etwas länger dafür aber um einiges sicherer. Afra suchte für sich und Janina einen Platz zum schlafen. Nach wenigen Minuten fand sie einen wunderschönen alten Weidenbaum und das kleine Bächlein in der Nähe kam wie gerufen.
Afra trank so viel Wasser wie sie nur konnte und forderte auch Janina auf zu trinken. Dann legten sich beide unter die Weide und waren sehr schnell eingeschlafen.

Als Afra aufwachte weil ihre Bauchwunde angefangen hat zu brennen dämmerte gerade der Morgen. Janina wachte auch gerade auf. Afra bastelte sich aus den Lederschnüren ein paar Schlaufen und ließ Janina mit ihren Beinen in die Schlaufen steigen. Dann setzte sie das Kind auf ihre Schultern, führte das Leder unter ihren Armen hindurch in den Rücken. Dort kreuzte sie die Schnüre und führte sie wieder unter den Armen hindurch um sie dann in ihrem Nacken zu verknoten. Jetzt konnte Janina nicht mehr wegrutschen. Selbst wenn sie einschlief hatte sie höchsten keinen festen Halt mehr aber herunterfallen konnte sie nicht. Im Geiste ging Afra die Strecke durch. Sie wusste was auf sie zukam und sie wusste auch, dass wenn sie diesen Lauf durchzog sie bis zum bitteren Ende laufen musste. Jeder Schwachkopf konnte sie erledigen in ihrem erschöpften Zustand. Deswegen war eine längere Pause absolut verboten.
Afra atmete tief durch und begann sich in Bewegung zu setzen. Nach einigen Minuten hatte sie sich an das Gewicht und die Schaukelei auf ihren Schultern gewöhnt und sie fand ihren gewohnten Rhythmus.
Vier Schritte einatmen, vier Schritte ausatmen. Janina schien ihren Spaß zu haben. Sie tätschelte Afra im Rhythmus der Schritte auf den Kopf und plapperte ohne Unterlass. Afra ließ sie gewähren. Das Kind hatte fiel mitgemacht und die paar Stunden Frieden taten dem kindlichen Gemüt sichtlich gut. Afra hörte überhaupt nicht auf das was Janina da alles erzählte. Die Plapperei lenkten sie von den Anstrengungen ab. Ihr tropfte der Schweiß aus allen Poren. Als mittags die Sonne ihren höchsten Stand erreicht hatte, nahm Afra den Weg weiter im Wald um jeden Schatten auszunutzen. Einmal nur hielt Afra kurz an als sie einen Felsen bemerkten von dem Wasser tropfte. Sie stellte sich unter den Felsen und trank Wasser. Afra achtete auch darauf dass Janina genügend Wasser trank. Dann machte sie sich wieder auf den Weg bevor ihre Muskeln kalt wurden. Das Geplapper hatte nachgelassen und Afra bekam keine Antworten mehr. Janina schien eingeschlafen zu sein. Nicht einmal als es feucht und heiß über Afras Rücken rieselte bewegte sich das kleine Mädchen. Afra lies es einfach geschehen und lief ohne Unterbrechung weiter. Als der Abend dämmerte erreichten sie den Fuß des Gebirges. Afra wollte überhaupt nicht darüber nachdenken was jetzt auf sie zukam. Sie lief einfach weiter. Sie hatte nur noch einen Gedanken. Das Kind in Sicherheit zu bringen. Nach einer Weile wurde Afra langsamer.
Nur noch drei Schritte einatmen und drei Schritte ausatmen. Ihre nackten Füße gruben sich in das Geröll und mit den Händen an den Felsen abstützend arbeitete sie sich nach oben. Ärgerlich dachte Afra an die schützenden Felle um Janinas Füße, dachte aber keinen Augenblick daran sich diese Felle zu nehmen. Janinas Füße wurden so warm gehalten und je weiter sie nach oben kamen desto kälter wurde es. Janina war aufgewacht und begann zu zittern. Fest klammerte sie sich an Afra.
„Sind wir bald zu Hause?“ fragte sie und zitterte wie Espenlaub
„Nicht mehr lange,“ keuchte Afra unter der Last, „halte durch.“
Zwei Schritte einatmen und zwei Schritte ausatmen. Zum Glück kannte Afra sich hier aus. Sie wusste genau wo sie in der Dunkelheit ihre Schritte setzen musste um nicht abzurutschen. Etwa zu Mitternacht hatten sie den höchsten Punkt erreicht und Afra musste eine Pause einlegen. Janina war schon wieder eingeschlafen. Afra war schwindelig und sie musste sich an einem Felsen abstützen. Mit beiden Händen griff sie in den Schnee und rieb sich damit das Gesicht ein. Dann stopfte sie sich Schnee in den Mund, so viel sie konnte. Als ihr Puls wieder einigermaßen normal war stopfte sie sich noch etwas Schnee in die Bluse um ihre Wunde zu kühlen. Dann begann sie den Abstieg. Mit dem erfahrenen Blick der Jägerin stellte Afra fest, dass sie absolut in einem guten Zeitplan waren. Jetzt drohte auch keine Gefahr mehr. Hier oben in dieser unwirtlichen Gegend hielt sich kaum jemand auf und wenn sie den Pass überwunden hatte war sie schon in der Heimat. Wenn sie aber jetzt eine Pause einlegen würde, dann würde sie wahrscheinlich nicht mehr aufwachen. Sie war zu schwach um sich gegen die Kälte oder gegen wilde Tiere zu wehren. Sie musste durchhalten bis sie auf Menschen traf. Nach ihren Schätzungen würde sie am Nachmittag in Amazonien sein und etwa gegen frühen Abend das Kriegerdorf erreicht haben. Dort würde sie mit Sicherheit die richtigen Menschen treffen, dort könnte sie dann in Ruhe Schlaf finden ohne Janina in Gefahr zu wissen. Noch ein paar letzte Schneehaufen in den Mund und Afra setzte sich wieder in Bewegung. Der Abstieg mit dem Gewicht auf den Schultern war beschwerlich und als Afra endlich die ersten Schritte unten im Land machte lachte sie triumphierend und setzte übermütig ihren Weg fort. Sie nahm einfach den kürzesten Weg in der Hoffnung unterwegs irgendjemanden zu treffen.
Vier Schritte einatmen und vier Schritte ausatmen. Afra hatte wieder ihren Rhythmus gefunden. Niemand begegnete ihnen. Aber alleine der Anblick dieser herrlichen Landschaft und das unbeschreibliche Gefühl in Sicherheit zu sein gaben ihr Kraft durchzuhalten. Als die Sonne sich tief über das Meer legte erreichte Afra die Brücke über den kleinen Fjord und war den Amazonen dankbar, dass diese Brücke nicht hochgezogen war. Nur noch ein kleiner Hügel und dann musste man das Dorf sehen können. Als Afra die ersten Häuser erreichte war sie irgendwie enttäuscht. Niemand fand sich im Dorf und erst als sie am Dorfplatz ankam hörte sie Stimmen aus dem Haus der Anführerin.
Afra hielt wankend und erschöpft an. Janina war wach geworden und zappelte auf ihren Schultern herum. Afra löste den Knoten der Lederschnüre in ihrem Nacken und lies Janina von ihren Schultern gleiten. Dann nahm sie das Kind an die Hand und ging mit ihr zum Eingang des Hauses. Wie durch einen Schleier erkannte sie plötzlich Cindy die auf sie zukam. Sirena erkannte sie und LyAvain, Yohshi die Katzenfrau, die beiden Kinder Jana und Maryan. Afra war überglücklich und ihre Augen füllten sich mit Wasser. Wie in einem Traum nahm sie noch wahr dass sie mit Janina an der Hand in das Haus gingen. Das Stimmengewirr um sie herum konnte sie kaum richtig zuordnen und irgendwann war sie plötzlich in einen tiefen Schlaf gefallen.
SandyLee
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